Sommerinterview : Trierer AfD-Landeschef Michael Frisch: „Bestimmte Töne schaden uns im Westen“
Trier/Mainz Trierer AfD-Landeschef kritisiert Töne aus dem Osten, fordert Erziehungsgeld für Eltern kleiner Kinder und will 2021 Fraktionschef im Landtag werden.
(flor) Der Trierer Michael Frisch soll die rheinland-pfälzische AfD in die Landtagswahl 2021 führen. Im Sommerinterview mit unserer Zeitung sagt der 63-Jährige, wie er zum Richtungsstreit der AfD steht, wo er Imageprobleme sieht, warum er trotz schwerer Vorwürfe an Fraktionsvize Joachim Paul festhält und warum das Land 500 Euro pro Monat zahlen soll, wenn Eltern in den ersten drei Jahren auf einen Kitaplatz verzichten.
Die AfD sackte zuletzt in einer Bundesumfrage auf acht Prozent ab. Ist der Höhenflug der Partei schon vorbei?
Michael Frisch: Das war Forsa, wo wir in den letzten Jahren immer deutlich unter dem Durchschnitt anderer Institute lagen. Gleichwohl hat die AfD ein Umfragetief. Das hat zwei Gründe: Die Corona-Pandemie, von der Regierungsparteien profitieren, die sich als Handelnde profilieren können. Dazu kommt der innerparteiliche Streit in der AfD. Der Wähler mag es nicht, wenn eine Partei zerstritten ist. Daran müssen wir arbeiten und das tun wir.
Steht die AfD am Scheideweg?
Frisch: Das wäre zu hoch gegriffen. Es geht aber schon um eine grundsätzliche Richtungsentscheidung innerhalb der AfD: Wollen wir die konservativ-bürgerliche Alternative bleiben, als die wir angetreten sind?
Oder setzt sich eine weiter nach rechts tendierende Strömung durch? Momentan mehren sich die Signale, dass die Gruppe um Jörg Meuthen die Oberhand behält, die ich unterstütze.
Die große Mehrheit unserer Mitglieder und Mandatsträger hat früher die CDU gewählt, fühlte sich aber mit ihren konservativen Grundhaltungen von der Merkel-Union verlassen und will sie in der AfD umsetzen.
Ein Andreas Kalbitz hat für Sie in der AfD nichts verloren?
Frisch: Herr Kalbitz hat seine politische Vergangenheit lange verheimlicht und immer nur so viel zugegeben, wie ihm nachgewiesen werden konnte. Ich habe auch heute Zweifel, ob er sich vollständig von diesen Dingen verabschiedet hat. Für mich hat er in der AfD keine Zukunft.
Bei Björn Höcke äußern Sie sich diplomatischer. Warum soll er eine Zukunft in der AfD haben?
Frisch: Herr Höcke hat keine annähernd vergleichbar schwierige Biographie. Bei Herrn Kalbitz weiß man sicher, dass er Anfang der 2000er Jahre in Neonazi-Kreisen unterwegs war. Bei Björn Höcke macht sich die Kritik an einzelnen Aussagen fest, die ich teilweise auch problematisch finde. Wenn ich aber die Arbeit seiner thüringischen AfD-Fraktion sehe, erkenne ich nicht, warum er Verfassungsfeind oder Rechtsextremist sein sollte.
Die Hetzreden von Björn Höcke malen aber ein rechtes Bild von der AfD. Sehen Sie darin kein Problem?
Frisch: Seine Art und Weise zu reden, hat uns im Westen oft Probleme gemacht und ist nicht mein Stil. Jede Partei muss eine gewisse Pluralität aushalten, aber auch die muss Grenzen haben. Bestimmte Töne schaden uns im Westen. Hier werden aber die Wahlen für den Bund gewonnen. Ich bin übrigens überzeugt: Auch im Osten wählen die Leute die AfD nicht wegen Höcke und Kalbitz, sondern trotz Höcke und Kalbitz.
Der SPD-Landesgeneral nannte Sie das „Feigenblatt“ von Rechtsradikalen in der rheinland-pfälzischen AfD. Was sagen Sie dazu?
Frisch: Ich halte das für eine interessengeleitete, bewusste Fehleinschätzung. Als ehemaliger Lehrer, Familienvater und überzeugter Christ stehe ich für eine bürgerlich-konservative Kurs AfD, wie sie gerade in Rheinland-Pfalz anzutreffen ist.
Warum halten Sie an Fraktionsvize Joachim Paul fest, der die Vorwürfe, für ein NPD-nahes Magazin geschrieben zu haben, nie aus der Welt räumen konnte?
Frisch: In unserem Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung. Diese Vorwürfe müssen daher von denen bewiesen werden, die sie vorbringen. Herr Paul ist ein leidenschaftlicher, scharfzüngiger Parlamentarier. Ich habe nicht den allergeringsten Zweifel, dass er überzeugter Demokrat ist. Und rein hypothetisch: Selbst wenn die Behauptungen stimmen würden, lägen die Ereignisse viele Jahre zurück. Deutschland hatte mit Joschka Fischer einen Außenminister, der früher Steine auf Polizisten geworfen hat. Die CDU in Braunschweig hatte bis 2014 einen Bürgermeister, der früher führendes NPD-Mitglied war. Es muss die Möglichkeit einer politischen Resozialisierung geben, auch bei uns.
Sie wollen als Spitzenkandidat in die Landtagswahl gehen. Werden Sie in der neuen Legislaturperiode dann auch Fraktionschef im Mainzer Landtag?
Frisch: Wenn ich Spitzenkandidat werde, wäre es ungewöhnlich, wenn jemand anderer zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wird.
Wie wollen Sie die AfD im Wahlkampf ausrichten?
Frisch: Ich wünsche mir, dass wir weg kommen vom Image der Protestpartei. Es ist zu wenig deutlich geworden, wofür wir stehen und welche Vision wir von Rheinland-Pfalz 2030 haben. Das müssen wir deutlich positiver kommunizieren.
Wo wollen Sie besonders den Hebel anlegen?
Frisch: Der Staat wertschätzt zu wenig, was Familien leisten. Dabei sind die Familien systemrelevant, das hat die Corona-Krise wieder gezeigt. Wir wollen Eltern entlasten und mit der Idee eines Landeserziehungsgeldes in den Wahlkampf ziehen. Sobald das Elterngeld ausläuft, soll das Land allen Familien 500 Euro pro Monat zahlen, die in den ersten drei Jahren auf einen Kita-Platz verzichten und ihre Kinder zuhause betreuen.
Die Frauen sollen also zurück an den Herd?
Frisch: Unsinn. Wir zwingen niemanden, sondern bieten Eltern eine Wahlfreiheit, wenn sie länger Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Wenn der Papa zuhause bleibt und die Mutter arbeiten geht, finde ich das genauso in Ordnung. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, den Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten zu verbessern. Pro Kind gibt es eindeutig zu wenig Erzieher in den rheinland-pfälzischen Kitas. Das muss sich ändern.
Um Ideen umzusetzen, brauchen Sie einen Koalitionspartner. CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf schließt ein Bündnis aber aus und nennt die AfD „völkisch“.
Frisch: Völkisch? Ich bitte Sie! Das ist doch ein Schlagwort, das Herr Baldauf aus der Mottenkiste zaubert, um sich inhaltlich nicht mit uns auseinandersetzen zu müssen. Wenn er konservative Politik in Bildung, Familie und Migration wirklich umsetzen will, geht das nur in einer Koalition mit der AfD. Stattdessen will er lieber in ein Bündnis mit den Grünen, was sein konservatives Profil zur Mogelpackung macht. Wer 2021 Schwarz wählt, wird Grün bekommen.
Nach der Corona-Demo in Berlin fordern Politiker härtere Strafen für Teilnehmer, die keine Masken tragen und auf Abstandsregeln verzichten. Sind auch Sie für ein härteres Durchgreifen?
Frisch: Wenn es härtere Strafen gibt, müssen sie für alle gelten. Dann braucht es auch Sanktionen, wenn die Raver-Szene oder die Black-Lives-Matter-Bewegung in Berlin dicht an dicht und ohne Maske demonstrieren. Dort greift die Politik aber nicht so rigoros durch. Wenn wir anfangen, solche Strafen nach der politischen Gesinnung zu beurteilen, können wir den Rechtsstaat beerdigen.
Sie sind in Trier selber auf einer solchen Demo mitgelaufen. Sehen Sie es nicht als Problem, dass Rechtsextreme diese Veranstaltungen für sich instrumentalisieren?
Frisch: In Trier bin ich einmal mitgegangen, weil ich sehen wollte, welche Menschen da demonstrieren, und um ein Zeichen für die Meinungsfreiheit zu setzen. Es gab ganz vereinzelt Leute, mit denen ich nichts zu tun haben möchte. Ich halte es aber für falsch, die Mehrheit der Teilnehmer von Corona-Demos in die rechtsextreme Ecke stellen zu wollen. Da gehen viele Leute aus der bürgerlichen Mitte auf die Straße, denen Einschränkungen Sorgen machen. Wir müssen diese Bürger ernst nehmen. Wenn sie als Spinner abgestempelt oder von der SPD gar als Idioten beschimpft werden, dann spaltet man damit die Gesellschaft und riskiert, dass es zu Radikalisierungen kommt, die doch eigentlich keiner will.
August 12, 2020 at 02:09PM
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